Weil alles passt

23. September 2014 Mehr

 

Im Oktober 2012 eröffnete 14 oz. einen 700 m2 großen Monobrand-Store am Berliner Kurfürstendamm. Der neue Shop befindet sich im geschichtsträchtigen Haus Cumberland, das 1911 von Architekt Robert Leibnitz als Boarding House entworfen, später als Hotel genutzt und seit 2010 für Büros, Gastronomie und Geschäftsflächen sukzessive adaptiert wird. 14 oz. zeigt sich hier als prestigeträchtiger Partner mit einem außergewöhnlichen Design. 14 0z wurde von s1 architekten geplante und das umgesetzte Geschäftslokal vom deutschen Handelsverband HDE zum „Store of the Year 2013“ gewählt.

Es geht nicht darum ein Kleidungsstück zu verkaufen, erklärt 14 oz. Besitzer Karl-Heinz Müller, sondern eine komplette Garderobe zu bieten. Der Kunde wird daher nicht in seiner Funktion als Käufer begrüßt, sondern als Mensch im Ganzen, mit all seinen Sinnen: „Alles, was die Leute hier sehen, hören oder riechen, passt zusammen und macht die besondere Atmosphäre aus.“ Der Kunde fühlt sich wohl, weil alles passt – die Qualität der Ware, der Materialien und des Raumgefühls.

Wie bereits der 2009 ausgezeichnete 14oz. in der Berliner Schönhauser Straße (shopstyle berichtete in Ausgabe 2 / 2009) wirkt der neue Multilabelstore in Berlins Westen, als sei er schon immer so da gewesen: „Man kommt hier rein und man fragt sich nicht, ob die Möblierung besonders gelungen ist. Sondern sie war einfach da“, bestätigt Architekt Henning Ziepke, „sie ist selbstverständlich, sie ist gelebt, zwar teilweise an anderen Orten, aber in dieser neuen Komposition als ganz natürlicher Teil des Ganzen.“ „Wir planen am Projekt“, so sein Partner Ansgar Schmidt im Gespräch mit shopstyle über den Schaffensprozess. Der Raum gibt eine erste Idee vor, alles weitere entsteht sukzessive.

Lasst es genau so!
Die Planung begann vor Ort mit der Baustellenbesichtigung im September, oder noch konkreter mit dem Baustellen-Event am 14. Oktober 2011. Die Reaktion der Gäste war überraschend, denn man schlug vor, „einfach alles so zu lassen“. Diesem Wunsch konnte – auch wenn Wände, Decken und Böden großteils erneuert werden mussten – bei zahlreichen Entscheidungsfindungen dann auch immer wieder nachgegeben werden. Laut Mietvertrag sollten beispielsweise die rohen Backsteinwände glatt verputzt werden. An einigen Stellen wirkten die rohen Flächen jedoch trotz ihres desolaten Zustandes sehr spannend. Daher entschlossen sich die Architekten zu einer anderen Vorgangsweise. In Absprache mit dem Bauherrn und dem Besitzer des Cumberland-Hauses wurden ausgewählte Flächen sandgestrahlt und gereinigt und mit Original-Ziegeln abgerissener Wände von anderen Bereichen des Hauses ausgebessert. Teilweise konnten sogar neue Wände – etwa in der Herrenabteilung – mit dem originalen Baumaterial errichtet werden. Im Kontrast dazu wurden die Wände mit einem modernen Betonsockel und mit Regalen aus Schwarzstahl versehen.

Auch das Deckengewölbe war zum Zeitpunkt der Übernahme in einem sehr schlechten Zustand, von zahlreichen Farbschichten entstellt und nur teilweise erhalten. Ursprünglich sollten diese Gewölbe daher entfernt und durch eine neue Deckenlösung ersetzt werden. Wieder entstand vor Ort eine andere Idee: Die Farbschichten des Gewölbes wurden abgetragen, bis der ursprüngliche Verputz mit seinen eigentümlichen Flecken und Mustern zum Vorschein kam. Schadhafte Stellen wurden ausgebessert und von einem Kulissenmaler nachgestaltet. Bereiche ohne Gewölbedecke wurden mit einer geraden Decke versehen, wodurch ein ansonsten eher unglücklicher Übergang von historischer zu pseudohistorischer Bausubstanz vermieden werden konnte. Gleichzeitig unterstützt die abwechslungsreiche Deckengestaltung die Zonierung des Raums und den Übergang in neue Erlebniswelten.

Details mit Geschichte
Für den geschichtsträchtigen Standort suchten die Architekten nach einer Einrichtung mit eigener Geschichte, etwas Besonderes, und fanden dieses über Louis Mock, der beispielsweise für die L.O.C.K. Area der B&B und in Zusammenarbeit mit s1 architektur bereits einige Settings komplettieren konnte. Dieser wusste u.a. von einer Stahlbibliothek, die bereits seit 1996 demontiert, in Containern in Wien lagerte. Es handelte sich dabei um die Regale der Bibliothek des Wiener Palais Liechtenstein, die in kleinste Einzelteile zerlegt „nach Bildern“ gekauft und erst in Berlin zusammengesetzt wurden. Die alten Stahlregale stellen nun die imposante Denim-Wall und untermauern wie selbstverständlich das ursprüngliche Charisma des Raumes. Historischer Bestand, handgefertigte Einzelstücke und modernste Technik fügen sich zu einem beeindruckenden Ganzen, das der Besucher des Stores wohl fortan mit 14 oz. assoziieren wird.

Sämtliche Möbel und Einrichtungselemente wurden in Koordination mit dem Bestand bzw. den bereits gewählten Elementen ausgesucht oder gefertigt. Oft ergab sich erst aus der Kombination ursprünglich vielleicht widersprüchlicher Elemente ein stimmiges Ganzes. So entschied man sich bei der Möblierung des Mittelraumes für ein Jugendstil-Lagerregal aus Leipzig und kombinierte es mit eigens angefertigten Holzelementen. Der Counter wurde aus Teilen der Stahlbibliothek gefertigt und mit Deckenelementen aus einem Schweizer Direktorenzimmer komplettiert. Dahinter verbirgt sich modernste Kassentechnik inklusive Flachbildschirm und allem, was dazugehört – nur eben nicht auf den ersten Blick sichtbar.

Auch bei der Gestaltung der Umkleiden wurden geschichtsträchtige Bauteile aus anderen Nutzungsbereichen mit extra für den Standort entwickelten Details versehen. Als Basis dienen hier die Stahltrennwände eines Postoffices. Wo früher Glaseinsätze den Blick freigaben, wurden in der Damenabteilung gepolsterte Stoffe aus demselben Kanon wie die Vorhänge und Polsterungen der Sitzmöbel eingefügt. Die edlen Stoffe sorgen für einen weichen Kontrast zu den Stahlelementen. An Stelle des schwarzen Bodens aus andalusischen Zementfliesen, der im Verkaufsbereich zum Einsatz kommt, sorgt hier ein Eiche-Fischgrätparkett für wohnliche Akzente. Insgesamt sollte gerade für die Damen ein besonderer Ort geschaffen werden, eine edle Umgebung als stille Verbeugung vor der Kundin. Deshalb wurden hier – für Passanten gar nicht sichtbar und daher auch nicht als Prestigeobjekt missverstehbar – edle Kristalllüster aus London montiert.
Im Herrenbereich wurde mit ähnlichen Elementen gearbeitet, allerdings weniger feudal, aber ebenso hochwertig – mit Stahltrennwänden des Postbüros mit gestanzten Lochblechelementen verkleidet und Stoffen des selben Herstellers versehen. Edle Teppiche und Möbel namhafter Hersteller ergänzen das einladende Ambiente.

Let’s jam!
„Kreative Ideen wie diese können nur in enger Zusammenarbeit von Bauherr, Architekt und Handwerkern realisiert werden“, betont Ansgar Schmidt. Wie bei einer Jam-Session fließt die Kreativität und Leidenschaft aller Beteiligten im Prozess mit ein. Das Produkt entsteht im Team. „Wir haben auch sehr gute Erfahrungen mit klassischem Ladenbau gemacht“, stellt Schmidt klar, „wir sind aber in unserer Produktfindung nie von bestehenden Formen und Materialien abhängig. Gerade Handwerker, die ihr Wissen aus unterschiedlichen Lehrberufen kombinieren oder heute nicht mehr übliche Techniken beherrschen, sind oft sehr kreativ. Diese Kreativität und Leidenschaft ist bei der Entwicklung unserer Prototypen extrem wichtig.“ Ob man sich bei Einzelteilen und Prototypen nicht leicht verkalkulieren kann? „Tatsächlich sind die Kosten nicht wesentlich höher oder niedriger als anderswo“, erklärt Schmidt: Das sei natürlich immer projektabhängig. Wichtig sei letztlich, dass sich der Bauherr auf die Planungssicherheit seiner Partner verlassen kann…

Licht inszeniert
Licht kann wesentlich mehr, als lediglich Räume zu erhellen, davon sind auch Bauherr und Architekten des 14 oz. überzeugt. Daher waren auch die Lichtplaner von Anfang an in den Schaffensprozess integriert. Dank der ausgeklügelten Lichtinszenierung erfüllt die Beleuchtung gleich mehrere Aufgaben:
Zunächst inszeniert es die Ware: Allein in den Stahlregalen sind 500 Laufmeter LEDs verlegt. Diese leuchten wahlweise in zwei unterschiedlich warmen Lichtfarben, zwischen denen – ebenso wie zwischen individuell dimmbaren Lichtstärken – per Fernbedienung gewechselt werden kann. Damit lässt sich Helligkeit und Farbe ganz nach Bedarf auch an die jeweilige Tageszeit anpassen. Prinzipiell wurde für den blauen Denimstoff jedoch eine kühlere Lichtfarbe gewählt, während Lederwaren in wärmerem Licht präsentiert werden.
Durch die Wahl markanter Leuchtkörper weckt es bestimmte Assoziationen. Während Kristall-Lüster in den Umkleiden ein feudales Ambiente schaffen, verwandeln riesige Studioleuchten den gesamten Verkaufsraum in ein aufregendes Film-Setting.
Während also Regalbeleuchtungen und Leuchtkörper starke Akzente setzen, sorgt das allgemeine Beleuchtungskonzept für eine gezielte Ausleuchtung von Raum und Ware. Die verwendeten LED Strahler schaffen dabei den Spagat zwischen hoher Wirtschaftlichkeit und hoher Qualität. Dank moderner Spherolittechnik erzeugen die Leuchten einen gleichmäßigen Lichtkegel mit einem leicht weichgezeichneten Rand und gleichzeitig hohen Wirkungsgrad. Gerade im Ladenbau muss aber ein Lichtkonzept in der Lage sein, sich auch nach der Eröffnung weiter zu entwickeln und auch mit veränderlichen Anforderungen mitzuwachsen. Das modulare System ermöglicht hier eine rasche Anpassung ohne großen Aufwand.

Wer heute, den 14 oz. am Kurfürstendamm betritt, hat das Gefühl, dass der Shop genau passt. Und damit das auch in Zukunft so bleibt, werden Bauherr, Planer und Lichtplaner auch in Zukunft immer wieder neu dafür sorgen, dass „alles passt“…

Facts:
Projekt: 14 oz. store Kurfürstendamm Berlin
Adresse: Haus Cumberland, Kurfürstendamm 194, 10707 Berlin / Deutschland
Konzept & Ausführung: s1 architektur, Henning Ziepke & Ansgar Schmidt, Berlin in Zusammenarbeit mit Louis Mock
Verkaufsfläche: 600 m2
Planungsbeginn: Oktober 2012
Eröffnung: 25. Oktober 2012

Fotos: Edgar Zippel

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Kategorie: News

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